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„Pommes Frites machen nicht dick“

Wenn man eine Studie clever plant, bekommt man das gewünschte Ergebnis. Wie das geht? Lesen Sie mehr…

Das American Journal for Clinical Nutrition gilt allgemein als die führende Ernährungsfachzeitschrift der Welt. Eine dort veröffentlichte, randomisierte, kontrollierte Ernährungsstudie wird allgemein Beachtung erfahren. So geschehen aktuell mit einer Publikation zum Thema Pommes Frites, die diese vom Verdacht freispricht, Übergewicht und Diabetes zu begünstigen.

Bereits in ihrer Einleitung weisen die Autoren darauf hin, dass man die Zunahme an Adipositas und Diabetes in den USA schwerlich dem Verzehr von Kartoffeln zuordnen könne. Schließlich sei der durchschnittliche Konsum von Kartoffeln in den letzten Jahrzehnten für 95% der Bevölkerung nur um eine Portion alle 5 Tage angestiegen.

Um zu belegen, dass selbst der tägliche Verzehr von Pommes Frites keine Gewichtszunahme bewirkt, führten die Autoren eine randomisierte, kontrollierte Ernährungsstudie durch. Sie rekrutierten auf dem Campus der University of Alabama at Birmingham (UAB) 180 Freiwillige im durchschnittlichen Alter von 30 Jahren, die vor Beginn der Studie nicht mehr als eine Portion Kartoffeln pro Tag verzehrt haben dürften.

Teilnehmende sollten keine Gewichtsschwankungen von mehr als 5% in den letzten 6 Monaten durchgemacht und auch keine Magenverkleinerung wegen Adipositas hinter sich haben. Schwangere waren ebenso ausgeschlossen wie Menschen mit Diabetes oder einer Erdnussallergie. Erlaubt war die Teilnahme mit einem Body-Mass-Index BMI von 20-35 kg/m². Davon wird noch die Rede sein.

Randomisierte Studie Pommes Frites vs. Mandeln

Die Teilnehmenden wurden auf drei Gruppen ausgelost, die über die folgenden 30 Tage jeweils 300 kcal/Tag zusätzlich zuführen sollten: entweder als Pommes Frites pur (ca. 120 g), als Pommes Frites mit einer Kräuter-Gewürz-Mischung (ca. 120 g) oder in Form von gerösteten und gesalzenen Mandeln (ca. 50 g).

Es gab keinerlei sonstige Ernährungsempfehlungen an die Teilnehmer. Sie sollten einfach weiter essen wie bisher und nur verbindlich das zusätzliche Produkt verzehren, das Ihnen von den Studienleitern gestellt wurde.

Primärer Endpunkt der Studie war die Veränderung des Körperfettanteils. Außerdem wurden auch Gewicht, BMI und zahlreiche Laborwerte bestimmt.

Am Ende der Studiendauer wurde zusätzlich für fünf Teilnehmende pro Gruppe ein mahlzeitenbezogener Belastungstest mit Messung der Blutzucker- und Insulinspiegel über 2 Stunden nach der jeweiligen Testmahlzeit durchgeführt.

Von den 180 Teilnehmenden beendeten 165 die Studie und wurden in die Analyse eingeschlossen. 12 Teilnehmende stiegen aus unbekannten Gründen aus, 3 wegen CoViD-19.

Kein Unterschied beim Körperfettanteil

Für den primären Endpunkt, den Körperfettanteil, zeigte sich zwischen den drei Gruppen kein Unterschied nach 30 Tagen. Gleiches galt für Gewicht, Körperfettmasse sowie die Muskelmasse.

Die 300 kcal zusätzliche Nahrung mussten also unabhängig von der Frage Pommes oder Mandeln an anderer Stelle kompensiert worden sein.

Signifikante Unterschiede ergaben sich lediglich bei den jeweils fünf Teilnehmenden pro Gruppe, die am Ende einen mahlzeitenbezogenen Belastungstest durchgeführt hatten. Hier zeigten sich ein höherer Blutzuckeranstieg und eine deutlich erhöhte Insulinausschüttung nach den Pommes frites, wohingegen die Mandeln weder Glucose noch Insulin beeinflussten.

Die Autoren schlussfolgern, dass der Verzehr von Kartoffeln und Kartoffelprodukten, die immerhin das „meistverzehrte Gemüse“ in den USA seien nicht für eine mögliche Gewichtszunahme oder eine Steigerung des Diabetesrisikos verantwortlich gemacht werden könnten.

Ihre Hypothese: Der Körper reguliert den Gewichtsverlauf sehr feinfühlig, und im Falle eines erhöhten Verzehrs von Kartoffeln lassen die Menschen eben etwas anderes weg und halten deshalb ihr Gewicht stabil. So weit so schön – oder zu schön, um wahr zu sein.

Methodische Schwächen der Studie

Denn natürlich stelle ich diese Studie vor, um darauf hinzuweisen, wie Studien manipuliert werden, um die erwünschten Ernährungsbotschaften verbreiten können.

Die Ein- und Ausschlusskriterien der Studie werden in Tab. 1 aufgeführt. Angeblich durften Menschen mit einem Body Maß Index von 20-35 kg/m² teilnehmen. Und wichtig zu wissen: Alabama ist der Bundesstaat mit der höchsten Rate an Adipositas in den USA, hier sind 39% der Erwachsenen adipös.

Dennoch hatten in dieser Studie laut Tab. 2 die Teilnehmer einen „ziemlich schlanken“ BMI von durchschnittlich nur 25,8 kg/m². Ganz offensichtlich wurden Teilnehmende ausgesucht, die besonders schlank waren. Sie hatten ein durchschnittliches HbA1c von nur 5,2% und damit einen perfekt funktionierenden Zuckerstoffwechsel.

Den kann man auch anhand des geringen maximalen Insulinspiegels von nur 70 uIU/ml nach dem Verzehr von Pommes im mahlzeitenbezogenen Belastungstest vermuten. Alle Werte sprechen für eine besonders gute Insulinempfindlichkeit der Teilnehmenden.

In einer solchen Gruppe von Teilnehmenden mit normaler Stoffwechselsituation sind die Auswirkungen einer gesteigerten Kohlenhydratzufuhr viel geringer als bei Menschen mit Adipositas und/oder gestörtem Zuckerstoffwechsel.

Eine Studiendauer von nur 30 Tagen ist zudem sehr kurz, um die Langzeitfolgen einer Ernährung mit reichlich Kartoffeln bzw. Pommes Frites zu untersuchen.

Völlig unklar bleibt außerdem, inwieweit die Teilnehmenden über die Zielsetzungen der Studie aufgeklärt wurden. Allein mit der Information, man versuche mit dem Experiment zu belegen, dass Pommes Frites nicht zu einer Gewichtszunahme führen würden, hätte man die Teilnehmenden dahingehend beeinflussen können, dass Sie bei ihrer „normalen Ernährung“ während dieser 30 Tage besonders aufpassen sollten.

Und meine Annahme ist keineswegs abwegig, denn als Hauptsponsor der Studie fungierte die Allianz für Kartoffelforschung und -erziehung (Alliance for Potato Research and Education, APRE), die Lobbyisten-Organisation der Kartoffelproduzenten in den USA.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Fazit: Wenn eine Studie mit entsprechendem Sponsoring clever geplant wird, um eine vorab festgelegte Hypothese („Pommes Frites machen nicht dick“) zu belegen, dann kommt genau das heraus, was der Sponsor „herausfinden will“. Mit seriöser Wissenschaft hat das nichts zu tun.

Die mittel- oder langfristigen Folgen eines hohen Verzehrs von Kartoffeln bzw. auch Pommes Frites können mit dieser Studie nicht beurteilt werden.

Die glykämische Last (Zuckerbelastung) von nur 200 g Kartoffeln entspricht je nach Zubereitungsart einer Belastung durch 8-13 Teelöffel Zucker. Es steht außer Frage, dass sich der regelmäßige Konsum solcher „Zuckermengen“ gerade bei Menschen mit Veranlagung zu Übergewicht, Prädiabetes oder Diabetes schädlich auswirken wird.

Quelle:

Smith DL et al., French-fried potatoes consumption and energy balance: a randomized controlled trial. The American Journal of Clinical Nutrition 2022, published online 18 February 2022, https://doi.org/10.1093/ajcn/nqac04